Wie sind die Unsicherheitsangaben des IPCC definiert?
Im „Climate Change 2021: The Physical Science Basis“, veröffentlicht am 9. August 2021 von der „Working Group I“ (WGI) als Beitrag zum „Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change“ (AR6), wird in Kapitel 1.2.3.1 „Climate Change Understanding, Communication and Uncertainties“ („Klimawandel Verständnis, Kommunikation und Unsicherheiten“) auf Seite 170 beschrieben ...
„Der AR6 folgt dem für den AR5 entwickelten Ansatz (Kasten 1.1, Abbildung 1), wie er in den “Guidance Notes for Lead Authors of the IPCC Fifth Assessment Report on Consistent Treatment of Uncertainties” (Mastrandrea et al., 2010) beschrieben ist. Die in AR6 verwendete Leitlinie zur Unsicherheit klärt die Beziehung zwischen der qualitativen Beschreibung von confidence (Vertrauen/Zuverlässigkeit) und der quantitativen Darstellung von Unsicherheit, die durch die likelihood-Skala (Wahrscheinlichkeitsskala) ausgedrückt wird. Die kalibrierte Unsicherheitssprache betont die Nachverfolgbarkeit der Bewertung während des gesamten Prozesses. Wichtige Kapitelergebnisse, die in der Executive Summary eines jeden Kapitels präsentiert werden, werden im Kapiteltext durch eine Zusammenfassung der zugrunde liegenden Literatur gestützt, die in Bezug auf Evidenz und Übereinstimmung, confidence und auch likelihood bewertet wird, falls zutreffend.
In allen drei Arbeitsgruppen bewerten die Autorenteams das zugrunde liegende wissenschaftliche Verständnis und verwenden zwei Messgrößen, um den Grad an Gewissheit in zentralen Ergebnissen zu kommunizieren. Diese Messgrößen sind:
Confidence: ein qualitatives Maß für die Gültigkeit eines Befunds, basierend auf Art, Umfang, Qualität und Konsistenz der Evidenz (z. B. Daten, mechanistisches Verständnis, Theorie, Modelle, Expertenurteil) und dem Grad der Übereinstimmung.
Likelihood: ein quantitatives Maß für die Unsicherheit in einem Befund, probabilistisch ausgedrückt (z. B. basierend auf statistischer Analyse von Beobachtungen oder Modellresultaten, oder beidem, sowie dem Expertenurteil des Autorenteams oder einer formalen quantitativen Umfrage von Expertenansichten, oder beidem).
In allen IPCC-Berichten wird die kalibrierte Sprache, die eine formale confidence-Bewertung anzeigt, klar durch Kursivschrift gekennzeichnet (z. B. medium confidence). Wo angemessen, können Ergebnisse auch als Tatsachenaussagen ohne Unsicherheitsqualifizierer formuliert werden.“
Original
„The AR6 follows the approach developed for AR5 (Box 1.1, Figure 1), as described in the ‘Guidance Notes for Lead Authors of the IPCC Fifth Assessment Report on Consistent Treatment of Uncertainties’ (Mastrandrea et al., 2010). The uncertainty Guidance Note used in AR6 clarifies the relationship between the qualitative description of confidence and the quantitative representation of uncertainty expressed by the likelihood scale. The calibrated uncertainty language emphasizes traceability of the assessment throughout the process. Key chapter findings presented in each chapter’s Executive Summary are supported in the chapter text by a summary of the underlying literature that is assessed in terms of evidence and agreement, confidence, and also likelihood, if applicable.
In all three Working Groups, author teams evaluate underlying scientific understanding and use two metrics to communicate the degree of certainty in key findings. These metrics are:
Confidence: a qualitative measure of the validity of a finding, based on the type, amount, quality and consistency of evidence (e.g., data, mechanistic understanding, theory, models, expert judgment) and the degree of agreement.
Likelihood: a quantitative measure of uncertainty in a finding, expressed probabilistically (e.g., based on statistical analysis of observations or model results, or both, and expert judgement by the author team or from a formal quantitative survey of expert views, or both).
Throughout IPCC reports, the calibrated language indicating a formal confidence assessment is clearly identified by italics (e.g., medium confidence). Where appropriate, findings can also be formulated as statements of fact without uncertainty qualifiers.“
Das IPCC definiert konkret folgende „kalibrierte Begriffe“ um Eintrittswahrscheinlichkeiten auszudrücken:
IPCC-Begriff
deutsch
Eintrittswahrscheinlichkeit
virtually certain
praktisch sicher
99 - 100 %
extremely likely
extrem wahrscheinlich
95 - 100 %
very likely
sehr wahrscheinlich
90 - 100 %
likely
wahrscheinlich
66 - 100 %
more likely than not
eher wahrscheinlich als nicht
>50 - 100 %
about as likely as not
etwa so wahrscheinlich wie nicht
33 - 66 %
unlikely
unwahrscheinlich
0 - 33 %
very unlikely
sehr unwahrscheinlich
0 - 10 %
extremely unlikely
extrem unwahrscheinlich
0 - 5 %
exceptionally unlikely
außergewöhnlich unwahrscheinlich
0 - 1 %
Bei dieser Definition, die nicht nur vom IPCC selbst genutzt wird, sondern deren Nutzung der IPCC auch von Studienautoren fordert, fallen gleich mehrere Punkte auf:
Von einer wissenschaftlichen Skala erwartet man klar definierte und somit voneinander abgegrenzte Wertebereiche (deren Übergänge aber durchaus einen Unschärfebereich haben können). Die Definitionen des IPCC überschneiden sich dagegen in weiten Bereichen. So kann eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 100 % sowohl als „more likely than not“, „likely“, „very likely“, „extremely likely“, als auch „virtually certain“ bezeichnet werden. Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass nicht erkennbar ist, ob ein Ereignis, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit mit „virtually certain“ angegeben wird, mit höherer Wahrscheinlichkeit eintritt, als eines mit der Einstufung „more likely than not“.
Die Einteilung ist sprachlich missverständlich. Bereits eine Eintrittswarhscheinlichkeit von lediglich 33 % als „about as likely as not“ zu bezeichnen, ist sogar eindeutig irreführend. Letztlich wird alles ab 33 % als „irgendwie wahrscheinlich“ eingestuft.
Eine Wahrscheinlichkeitsangabe in Prozenten ist zwar in der Statistik durchaus üblich, da sie sich dort nach mathematischen Regeln berechnen lässt. Bei grundsätzlichen wissenschaftlichen Aussagen macht sie aber keinen Sinn. Hat die Relativitätstheorie eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 98 %? Ist es zu 75 % wahrscheinlich, dass die Atmosphäre eine Strahlungsfalle ist? Ist es zu 50 % wahrscheinlich, dass außerhalb der Erde intelligentes Leben existiert? Ist es zu 2 % wahrscheinlich, dass der Mond aus Käse besteht?
Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass in der Wissenschaft eine Eintrittswahrscheinlichkeit im Bereich um 50 % als zufällig gilt, kann man die Einteilung ohne Informationsverlust auch deutlich straffen. Über 66 %: „likely“ (wahrscheinlich), unter 33 %: „unlikely“ (unwahrscheinlich) und dazwischen: „ambiguous“ (unklar).
Die eigentliche Einstufung des IPCC ist aber, wie bereits erläutert, nicht eine Eintrittswahrscheinlichkeit. Stattdessen drückt man in der Wissenschaft aus, wie gefestigt eine Aussage ist. Letztlich geht es also darum, ob eine Aussage zu den vorhandenen Daten passt bzw. ob überhaupt Daten vorliegen, um eine Aussage überprüfen zu können. Deshalb lauten die in der Wissenschaft (außerhalb der Klimawissenschaft) gebräuchlichen Begriffe „gestützt“, „nicht ableitbar“ und „widerlegt“.
Das IPCC suggeriert stattdessen in seinen Texten eine Exaktheit, die bereits durch die Begriffsdefinition des IPCC nicht gegeben ist. Hinzu kommt, dass sich diese Begriffsdefinition erst auf Seite 170 – und somit im Hauptteil des Gesamtwerkes mit über 2400 Seiten – befindet. Sie findet sich also insbesondere nicht im „Summary for Policymakers“ (Seite 3 bis 31) bzw. die deutschsprachige „Zusammenfassung für die politische Entscheidungsfindung“.
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